Interview mit Teamarzt Dr. Markus Heyenbrock:

 

Ein Dauerrekord wie ihn Franz Frank mit 130 Stunden und 300 000 Höhenmetern plant, ist eine enorme sportliche Leistung, wenn es nicht nur um Rutscherei auf Skiern geht. Wir sprachen mit dem Teamarzt Dr. Markus Heyenbrock.

 

130 Stunden sportliche Dauerleistung ohne Erholung. Kann ein menschlicher Körper so etwas überhaupt durchstehen?

 

Heyenbrock: Ohne Erholung ist nicht ganz richtig. Die Vorgabe ist ohne Schlaf. Es gibt jedoch kurzzeitige Phasen der Erholung, der Entspannung, während der Bergfahrt im Lift. Tagsüber sind das durchschnittlich 15 Minuten, nachts wegen der kürzeren Strecke fünf Minuten. Ohne diese kurzen Ruhephasen wäre der Rekord überhaupt nicht möglich. Allein von der Biologie her gesehen, ist die der Muskel nicht ermüdbar.

 

Also müsste man die Muskeln gar nicht trainieren, um sportliche Höchstleistungen möglich zu machen?

 

Heyenbrock: Vom Nervenimpuls und der Kontraktionsfähigkeit ermüdet der Muskel nicht.  Aber von der Kraft und der Ausdauer her schon. Dann könnte eine Übersäuerung eintreten, was Sportler als Muskelkater kennen. Das kann durch Training verhindert werden

 

Was ist dann der zentrale begrenzende Faktor?

 

Heyenbrock: Das Problem, der kritische Punkt ist das zentrale Nervensystem. Der Kopf wird müde. Und damit setzt die Steuerfähigkeit aus.

 

Gibt es Studien darüber, wie lange ein Mensch unter diesen Voraussetzungen aktiv sein kann, ohne dass gesundheitliche Schäden zurück bleiben?

 

Heyenbrock: Exakte Studien gibt es nicht, wohl aber Erfahrungsberichte. Unter anderem hat man beim Spitzensport entsprechende Beobachtungen gemacht. Das betrifft Extremläufe wie den Marathon. Es gibt den Deutschlandlauf, der mit ganz genau definierten Ruhepausen durch die Bundesrepublik führt. Oder das "Race through America" ein Radrennen für Zweierteams. Da wechseln die beiden Fahrer alle vier Stunden ab, bis die USA komplett durchquert sind. Erfahrungsberichte über Einzelfälle gibt es auch aus dem Bereich der Katastrophenmedizin. Daraus kann entnommen werden werde, zu welchen Leistungen der Körper beispielsweise unter Stress fähig ist. Alle anderen größeren Studien zu diesem Thema wären jedoch Versuche am Menschen. Und das würde von der Ehtikkommisson sofort verboten.

 

Sind sich die Experten in der Möglichkeit von Extremsportleistungen wie dem 130-Stunden-Versuch von Franz Frank einig oder gibt es Unterschiede?

 

Heyenbrock: Die normale Schulmedizin lehnt so etwas als Blödsinn ab. Aus ihrer Position heraus durchaus zu Recht. Die Sportmedizin ist da ganz anderer Meinung. Der einzige Mensch, der bisher bei allen drei großen Triathlone der Welt in einem Jahr gestartet ist, ist ein Arzt, Dr. Strunz. Er hat unter anderem auch ein Buch über das Laufen geschrieben und er ist sehr umstritten.

 

Wie kann man als Arzt dann ein solches Unternehmen guten Gewissen betreuen.

 

Heyenbrock: Man muss vor allem den Sportler sehr lange beobachten, genau einschätzen können, viel mit ihm arbeiten. Und dann geht es natürlich auch um ständige Kontrolle während des Rekords.

 

Kann so eine Spitzenleistung trainiert werden, oder liegt die Durchführbarkeit vor allem am Willen?

 

Heyenbrock: Das ist auf alle Fälle vom Einzelnen abhängig und Bedarf einer langen Vorbereitung. Die Vorstellung von einem Manager, der von seinem Stuhl aufsteht, ein paar Monate trainiert, zum Joggen geht und dann einen Marathon läuft, ist absurd. Das hat mit unseren gesellschaftlichen Errungenschaften zu tun, wir bewegen uns grundsätzlich zu wenig. Und dadurch ist auch unsere angeborene Lauffähigkeit verkümmert.

Bei Spitzenleistungen ist sicher beides wichtig, körperliches Training und ein starker Wille. Die körperliche Voraussetzung ist auf alle Fälle trainierbar. Aber man sieht im Spitzensport, dass nur diejenigen enorme Leistungen bringen, die auch einen außergewöhnlichen Willen haben. Im Skisport sind das unter anderem Alberto Tomba oder Hermann Mayer. Es gibt sicher Unterschiede bei den Athleten von den Anlagen her. Aber auch den Willen kann man trainieren, bis zu einem bestimmten Punkt.

 

Welche Nahrung braucht ein Spitzensportler, wenn er sich einer derartigen Tortur aussetzt?

 

Heyenbrock: Die Ernährung ist entscheidend. Bei sportlichen Leistungen über acht oder neun Stunden kann man locker mit Kohlehydraten und Zucker die Bedürfnisse des Körpers abdecken. Was darüber liegt und mit viel Leistung verbunden ist, da reicht die übliche Ernährung nicht aus. Die notwendige Zuführung an Kohlehydraten wäre einfach vom Gewicht und von der Menge her zu groß. Da hätte mit vollem Bauch keiner mehr Lust auf Sport. Also besteht die Nahrung speziell zusammengestellt aus pflanzlichen Fetten, Eiweiß, Spurenelementen, Vitaminen und Zucker. Der Zucker ist vor allem für das Gehirn wichtig.

 

Bei Extremleistungen besteht immer der Verdacht, mit unlauteren Mitteln nachgeholfen zu haben. Stichwort Doping.

 

Heyenbrock: Wir werden natürlich Dopingtests durchführen lassen. Zudem ist das Risiko für den Sportler in toxischer Hinsicht einfach zu hoch. Für uns kommt das nicht in Frage. Es geht um einen ehrlichen, sportlichen Rekord.

 

Wie lange braucht ein Körper, um sich von solchen Strapazen wieder zu erholen?

 

Heyenbrock: Das kommt auf den Trainingszustand an. Die kurzfristige Regeneration braucht im Schnitt ein bis zwei Tage. Bis zur nächsten Belastung ähnlicher Art sollte aber drei bis vier Monate gewartet werden. Beim letztjährigen Rekord von Franz Frank war er am Sonntag fertig. Am darauf folgenden Dienstag war er bereits wieder auf der Piste.

 

Welche Qualifikation bringen sie mit, um einen solchen Rekord medizinisch betreuen zu können?

 

Heyenbrock: Ich komme selbst aus dem Hochleistungssport. Ich habe als Eiskunstläufer beim EHC Klostersee in Grafing angefangen, ging dann nach München und schließlich ins Bundesleistungszentrum nach Oberstdorf. Zur Medizin kam ich erst später. Heute beschäftige ich mich als Allgemeinmediziner  mit Orthopädie, aber auch mit Ernährungswissenschaft und Leistungspsychologie. Selbst trainiere ich immer noch hart, betreue zudem Vereine, Radrennteams, Skiteams und bin in der Jugendarbeit tätig. Entgegen kommt mir dabei, dass meine Kinder auch sportlich sehr aktiv sind.